Gebettet zwischen malerischen Hügeln und Tälern, kurvigen Landstraßen und sattem Grün, liegt das Firmengebäude der Familie Faust. Es befindet sich knapp zehn Kilometer nördlich des Staffelsees. Antonia Faust ist gern hier. Jeden Morgen um neun Uhr trinkt sie mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen kräftig duftenden Espresso und startet so in den Tag. Auch beim Mittagessen sitzt das Team täglich zusammen und freut sich über die frisch gekochten Gerichte seines italienischen Kochs. Wenn gerade keine Corona-Pandemie ist. „Wir sind durch und durch ein Familienunternehmen“, stellt Antonia Faust fest, wenn sie diese kleinen Rituale schildert. Vor fünf Jahren steigt sie in das Unternehmen ein, mit 25. „Ich wollte schon immer in die Firma meiner Eltern, das war für mich von Anfang an klar. Nachdem ich ein paar wilde Studentenjahre in Innsbruck hatte, konnte ich es dann auch kaum abwarten“, erzählt sie lachend.
Wir sind ein Familienunternehmen durch und durch
Mit der Zeit arbeitet sie sich in jede Abteilung ein, sammelt unter anderem Erfahrungen in der Logistik und dem Ein- und Verkauf, um die Firma eines Tages übernehmen zu können. Seit ihrem ersten Tag ist ihr das Thema Digitalisierung ein besonderes Anliegen. Heute zeichnet sich das Unternehmen durch die Verbindung von liebevollem Handwerk und automatisierten Prozessen aus.
Auf der Website stellen Kunden ihren individuellen Tisch mit dem eigens entwickelten 3-D-Online-Konfigurator zusammen, suchen die Größe, die Farbe des Linoleums, die Kantenart und das Tischgestell aus. Nach dem letzten Klick landet die Bestellung in einem digitalen Produktionsprogramm, einer Software, die jeden einzelnen Arbeitsschritt digital abbildet.
„Nachdem unsere Schreiner jede Bestellung sorgfältig überprüft und manuell freigegeben haben, sendet unser Produktionssystem die entsprechenden Daten direkt an unsere Maschinen. Das senkt die Fehlerquote enorm und steigert unsere Effizienz“, erklärt Antonia Faust. Die Tischplatten entstehen so: Das Holz und das Linoleum werden zugeschnitten, die Kante wird angebracht, dann geht es in die Presse. Je nach Konfiguration fräsen die Maschinen Ausschnitte, zum Beispiel für Kabel. Die Kanten werden geölt, die Platte einer strengen Qualitätsprüfung unterzogen und sicher verpackt. Damit unterwegs nichts kaputtgeht, liefert Faust Linoleum die Möbelstücke selbst aus.
Die Mitarbeiter sind unterwegs nach Hamburg, Leipzig, Berlin oder Frankfurt, aber auch Ziele wie Amsterdam, Kopenhagen und Paris stehen ab und zu auf dem Plan. Die nachhaltigen und gleichzeitig stylischen Tische kommen gut an, in der derzeitigen Homeoffice-Zeit vielleicht so gut wie noch nie: „Momentan haben wir 2.000 Platten in Produktion. Jede Woche gehen fünf bis sieben Liefertouren raus“, verrät Antonia Faust.
Neuer Tisch gefällig? Auf der website von Faust Linoelum ist er schnell selbst konfiguriert
Angefangen hat das alles mit ihrem Vater Franz, der in den 80er Jahren als Schreiner in Berlin arbeitet, sich aber schon länger beruflich weiterentwickeln möchte. Ein befreundeter Designer macht ihn schließlich auf Linoleum aufmerksam: ein nachhaltiges Naturprodukt – das man theoretisch sogar essen könnte! – aus Leinöl, Kalksteinmehl, Holzmehl und natürlichen Farbpigmenten. Es ist langlebig, wandelbar und hat eine angenehm warme Haptik. Franz Faust entscheidet, sich auf Tischplatten mit Linoleumbeschichtung zu spezialisieren, und bindet schon 1999 eine Website, 2003 den ersten Onlineshop in sein junges Unternehmen ein.
„Mein Vater ist ein sehr risikofreudiger Mensch, der zukunftsorientiert ist und viel Freude und Interesse an Technik hat. Weil meine Mutter die Finanzen so gut im Blick hat, konnte er sich da immer gut verwirklichen“, schmunzelt Antonia Faust. Als seine Werkstatt in Berlin anderweitig vermietet werden soll, zieht Franz Faust mit seiner Familie ins bayerische Alpenvorland, hier gibt es sowieso viel mehr Platz für das schnell wachsende Unternehmen.
Seit einigen Wochen ist ein Lackierroboter das neuste Mitglied im Team. „Er arbeitet sehr präzise, weil er die Platten in 3-D einscannt und die Kanten dann automatisiert einölt“, erklärt die junge Unternehmerin. Der Roboter wurde mit einem Darlehen der LfA finanziert – genau wie zuvor die anderen hochmodernen Maschinen und der Bau des Firmengebäudes, das mit Photovoltaikanlagen auf dem Dach 50 Prozent des Energiebedarfs abdeckt. Die nächsten innovativen Ideen für die Zukunft hat Antonia Faust schon längst parat. „Ich will die Digitalisierung bei uns noch weiter voranbringen. Zum Beispiel träume ich von einer eigenen App, mit der man sich die Tischplatte in 3-D direkt ins Zimmer stellen kann.“