Kunstkalender 2019 – Kalenderblatt November

Wie beim antiken Mythos von Sisyphos kann diese Arbeit also nie vollendet werden; der Mensch handelt zwanghaft und sinnentleert. Doch wie das Schicksal des Sisyphos, der einen Stein auf die Spitze eines Berges rollt, welcher sogleich die andere Seite wieder herabrollt, muss auch die Arbeit im „Engsten Korridor“ als Metapher gedeutet werden. Der Künstler handelt in ständiger Unruhe und Rastlosigkeit. Seine Tätigkeit erscheint vollkommen sinnentleert, das Geschaffene ohne Dauer, ebenso mühsam und fruchtlos wie das antike Hinauf wälzen eines Steines auf eine Bergspitze, wo es keinen Halt gibt. Auch die 14 Spione in der Tür erfüllen keine Funktion, für die nicht ein einzelner ausgereicht hätte. Zugleich verstärken sie die Unruhe des Eingeschlossenen, der wahrnimmt, wenn sich jemand zur Beobachtung vor die Lichtöffnungen stellt. Nicht einmal die Illusion eines schützenden Raumes stellt sich damit ein. Alles drückt auf die eingeschlossene Person, physisch wie psychisch. Es ist keine Arbeit zum Wohlfühlen, wohl aber eine eindrucksvolle Aussage über ein drängendes Problem unserer Zeit. Bleibt noch der Satz, den Minjae Lee wie ein Mantra unzählige Male vor sich auf die Wände schrieb, um ihn zugleich wieder auszulöschen: „Du brauchst keine Angst zu haben“.
Text: Jochen Meister
Der Künstler
