Kunstkalender 2019 – Kalenderblatt Dezember
Die skulpturale Form ist für Andreana Dobreva ebenso wichtig wie die Referenz an die Kunstgeschichte. Dennoch sagt sie, sie denke über Motive oder Personen im Bild nicht nach. Viel mehr lasse sie ihre Malerei „geschehen“, gäbe ihr kein Ziel vor, sondern agiere und reagiere malerisch unter Zuhilfenahme des Zufalls. Es gibt eine konkrete Bildvorlage, ein Werk des französischen Rokokomeisters François Boucher. Dort lagern die Figuren in einer Waldlandschaft, vom Maler heran gezoomt, nackt, auf einem blauen Mantel. An einer Astgabel über ihnen ist ein schweres Tuch in hellem Rosa befestigt.
Die Vorlage für die aufstrebende gewandartige Form, die das Liebespaar nun überlagert, ist mit den Körpern gestisch verbunden. Das Amalgam aus Haut und Stoff wird in der Neuschöpfung freigestellt und aller Details entledigt. Der besenartige Fortsatz, der mittig aus der Form nach rechts ragt, ist aus einem Köcher mit Pfeilen abgeleitet, welcher bei Boucher auf einem Felsen abgelegt wurde. Das VorBild erfährt eine reizvolle Metamorphose, die zugleich eine Art Weiterentwicklung und Neuerfindung ist. War der Künstler des 18. Jahrhunderts noch ganz der reizvollen, erotisch knisternden Darstellung einer literarischen Vorlage verpflichtet, entwickelt Andreana Dobreva ihre Malerei aus der Malerei. Bouchers delikat gemalte Geschichte der von Jupiter in Gestalt der Diana verführten Nymphe Callisto wird so zu einem malerischen Triumph der Liebe, der sich von der literarischen wie künstlerischen Vorlage gelöst hat.
Text: Jochen Meister
Die Künstlerin
