Kunstkalender 2020 – Kalenderblatt März
Ein Buch des legendären US-amerikanischen Außenseiters Charles Bukowski lieh der Arbeit von Milen Till ihren Titel: „Bar Fly“ ist jemand, der an der Theke hängt und, wenn er zur Sperrstunde verscheucht wird, anderntags ganz sicher wiederkommt. Bukowskis Dreh- und Angelpunkt, der Ausgangspunkt der kurzen Geschichten und Gedichte vom „verschütteten Leben“, ist die Bar, ist der Drink und der Rausch. Das wird spielerisch und sehr direkt von Milen Till aufgenommen. Seine vier Skulpturen reduzieren sich auf zwei Elemente im Dialog. Drei von ihnen stehen dazu auf unterschiedlich hohen Sockeln. Das kleine Ensemble wird dadurch gestaffelt; es wird zu einem Arrangement im Raum, doch jede Skulptur ist ein Werk für sich. Wer jedoch auf einem Sockel eine klassische Skulptur erwartet, wird enttäuscht. Vielmehr sucht Milen Till das Material für seine Werke dort, wo er ihre Themen verortet. Es sind gewöhnliche, aber doch speziell mit einem Milieu verbundene Gegenstände. In unserem Fall sind es Cocktailgläser und Kneipenstühle. Genauer gesagt werden die Beine der Stühle durch Gläserstapel verlängert.
Milen Till erinnerte sich dabei an die „Abräumer“ in Clubs, die dafür zuständig sind, die leeren Gläser einzusammeln. Je mehr einer stapeln konnte, desto eindrucksvoller kurvte er damit durch die Reihen. Soweit war dies eine Anregung zu den Glasstapeln, auf denen die Stühle stehen. Wenn die leeren Stühle nun auf den Stapeln stehen, ist das ein eindrucksvoller Effekt. Und mehr noch: Ein Bild, das zu einem Augenzwinkern verleitet, denn auch den notorischen Kneipengänger, den Menschen, den wir auf dem Stuhl imaginieren, verbinden wir mit dem Hinausschwanken aus dem Lokal. So wird der leere Stuhl zu einer Art Schleudersitz, der seinen „Besitzer“ abwirft, ebenso wie der im Delirium erhoffte Ruhm zumeist mit einem gehörigen Kater verbunden ist. Dieses Klischee mag sich mit jenem vom Alkohol als Inspirationsquelle für Künstlertum verbinden. Der erzählerische Moment, die Anregung, an den Abgang nach einen langen Abend zu denken, trifft auf eine radikale Reduktion der gewählten Darstellungsmittel, die ohne Umwege aus dem Milieu genommen sind. Es braucht nur die zwei Komponenten und ihre Begegnung, ihr Aufeinandertreffen in einer Inszenierung, die neben dem Sichtbaren die Bilder im Kopf in Gang setzt.
Text: Jochen Meister
Der Künstler
