Kunstkalender 2020 – Kalenderblatt Februar
Ein barockes Gemälde war der Ausgangspunkt einer Verwandlung mittels Malerei. Die Figur des Heiligen Sebastian interessiert Bastian Maria Meindl zwar als faszinierende und populäre Ikone, die nicht nur im katholischen Milieu bekannt und beliebt ist, doch wichtiger ist der zeitlose Moment des Motivs. Der von Pfeilen getroffene, niedergesunkene Märtyrer mit dem gesenkten Haupt, an den Armen gefesselt und nur mit einem Lendentuch bekleidet, vollzieht im Rahmen der Handlung selbst eine Wandlung, eine Metamorphose. Der vitale, jugendliche Körper befindet sich zwischen Leben und Tod. Unabhängig von der Legende, in der er von der Heiligen Irene aufgefunden und wieder ins Leben gebracht wird, um schließlich ein zweites Mal den Märtyrertod zu sterben, ist in der Arbeit von Bastian Maria Meindl die Geschichte in den Hintergrund getreten - und letztlich auch die barocke Leiblichkeit des Vorbildes. Meindl entwickelte aus Zeichnungen vor dem Original sein eigenes Bild, löste die Malschichten sinnbildlich ab, um eine Struktur freizulegen, die unter der Oberfläche existiert. In seinen Worten löst sich die Hülle der Heiligenfigur auf, so als würde „das Fleisch vom Skelett gesaugt“. Dies macht den Weg frei für eine neue Malerei in eigenen Farben und Strukturen.
Dabei variierte Bastian Maria Meindl die Farbigkeit stark und setzte die Figur zwischen feuriges Rot und tiefes Blau, das mit einer dynamischen Zeichnung gelber, grüner, orangener Linien kombiniert wird. Vertikale und horizontale Lineaturen proportionieren die Flächen an einigen Stellen;
sie sind pastos aufgetragen und kontrastieren zur Flüchtigkeit anderer Partien. Dazu entstehen surreale, ungegenständliche Elemente, die wie die Sichtbarmachung von Energie wirken, welche nach der Auflösung des Leibes nachwirkt. Die rechte Silhouette schließlich wiederholt sich hell und schemenhaft, als wäre die Figur beim malerischen Übertragungsprozess verschoben worden und hätte die Grundierung wie eine Art Platzhalter freigegeben. Letztlich entstand so aus einer direkten Auseinandersetzung mit dem ursprünglichen Motiv eine Arbeit, die die historisch-religiöse Szene nicht nur ansatzweise zu interpretieren beabsichtigt, sondern durch die malerische Metamorphose in eine eigene Bildwirklichkeit überführt. Sie ist schließlich das eigentliche Motiv des Gemäldes.
Text: Jochen Meister
Der Künstler
