Ein DeepDrive-Techniker beim Tüfteln
Menschen

Alles ist möglich!

Sieben Freunde tun sich zusammen und erfinden das Rad neu. Kein Witz: Das erst 2021 gegründete Garchinger Start-up DeepDrive erobert mit seiner effizienten Technologie den Elektromotor-Markt
TEXT Martin Fraas

Die Tür geht auf. Und wir sehen: Weiß. Blendendes Weiß. Weiße Wände, weiße Experimentiertische, weiße Ufo-Lampen und weiße Gerüste, die sich durch die gesamte Halle ziehen. Selbst der Unterbau des Reinraums, in dem ein Roboter seine produktiven Gymnastikübungen absolviert, ist selbstverständlich weiß. Das supercleane Labor mit all den geheimnisvollen Apparaturen wirkt wie ein Blick in die Zukunft. Und man wäre nicht überrascht, wenn plötzlich „M“ auftauchen und James Bond das neueste Hightech-Spielzeug präsentieren würde.

DeepDrive Mitarbeiter bei der Arbeit

Multidisziplinär:

In der Elektromobilität müssen viele Domänen ineinandergreifen

Im Labor erhält man einen eindrucksvollen Blick in die Zukunft

Nun, um innovative und überraschende Technik geht es auch hier. Genauer gesagt: Es wird das Rad neu erfunden. Und das ist durchaus wörtlich zu nehmen. Wir befinden uns im Gewerbegebiet von Garching, am nördlichen Stadtrand von München. Ein Umfeld, in dem viele Unternehmen an der Gestaltung der Zukunft arbeiten. Eines davon ist DeepDrive, das hier auf 4.000 Quadratmetern residiert. Die Hälfte der Fläche besteht aus Büroräumen, die andere aus dem futuristischen weißen Labor.

DeepDrive ist ein junges Unternehmen. Im Mai 2021 wurde es von Felix Pörnbacher und Stefan Ender gegründet. Zum Kernteam gehören weitere vier Freunde, die sich beim
Studium an der Technischen Universität in München kennengelernt haben. „Wir waren alle im studentischen Motorsport-Team“, erzählt Felix Pörnbacher, „und haben dort zwei Rennautos gebaut. Die sahen wie echte Formel-1-Rennautos aus, die ein bisschen zu heiß gewaschen wurden. Eines hatte Elektroantrieb, das andere einen Verbrenner.“

Diese Rennautos hat das TU-Team nicht nur gebaut, sondern nahm damit auch an Rennen in Silverstone, am Hockenheimring, in Australien und auf anderen Rennstrecken der Welt teil. „Wir haben damals öfter mal die Uni geschwänzt und in der Werkstatt geschlafen“, so Felix Pörnbacher. Daraus erwuchs eine Leidenschaft für Motoren, die das Leben der Freunde für immer prägen sollte.

Nach dem Studium flogen alle erst einmal in die Industrie aus. Dort warteten bestens bezahlte Jobs. Felix Pörnbacher, der parallel zum Maschinenbau auch BWL studiert hatte, ging als Investmentbanker nach London. In seinem Job war er weiterhin nahe an der Automobilindustrie, vor allem auf der strategischen Seite. Seine Freunde und späteren Mitgründer arbeiteten als Ingenieure bei renommierten Unternehmen wie Bosch, Infineon und Schaeffler. Ergänzt wurde der Freundeskreis inzwischen von Alexander Rosen, den Felix Pörnbacher bei Bosch kennengelernt hatte. Und als sich die „glorreichen Sieben“ mal wieder bei Bier und Wein trafen, was sie regelmäßig taten, stellten sie fest, dass es in der Autoindustrie ziemlich schwer ist, innovativ oder sogar radikal zu sein. Aber: Das Potenzial, das sie im Elektromotor sahen, war enorm. Um dieses Potenzial voll auszuschöpfen, brauchte es ihrer Meinung nach jedoch eine hohe Risikofreudigkeit. 

Ein DeepDrive Mitarbeiter arbeitet an einem Motor

Maximale Leistung und Effizienz:

Das Team von DeepDrive schafft es, Motoren zu bauen, die mit maximaler Leistung arbeiten, weniger verbrauchen und kostengünstig produziert werden können

Und die war für sie bei den großen Unternehmen nicht in der Intensität gegeben, wie sie es sich gewünscht hätten. Also beschlossen sie an diesem Abend: Wir gründen eine eigene Company, in die all unsere intensiven Erfahrungen im E-Motoren-Bau einfließen. Es gibt keine Denkverbote. Alles ist möglich! Und, wie Felix Pörnbacher sich erinnert: „Unser Ziel war es, dem Team das Umfeld und den Motorsport-Spirit zu geben, den wir hatten, als wir gemeinsam an der Uni im Studententeam gearbeitet haben.“ Es war ein mutiger Schritt. Sie alle wussten, was sie zu verlieren hatten. Aber sie wussten auch, was es zu gewinnen gab.

Denn da war die vorerst vage Idee einer Doppelrotor-Radialflussmaschine. Sorry, nun wird es kurz mal technisch: Ein normaler Elektromotor besteht, vereinfacht gesagt, aus zwei Teilen. Aus einem Stator, in dem befindet sich eine Kupferspule und ein kleiner Zylinder – der Rotor. Im Rotor sind wiederum Magnete, die – keine Überraschung – ein Magnetfeld besitzen. Wird die Kupferwicklung im Stator unter Strom gesetzt, entsteht ein elektromagnetisches Feld. Das Magnetfeld des Stators drückt auf das Magnetfeld des Rotors. Und der Zylinder fängt an, sich zu drehen. So funktioniert jeder Elektromotor. Aus Strom entsteht Bewegung. Was den sieben Jungs jedoch aufgefallen war: Das Magnetfeld des Stators strahlt in beide Richtungen, also nach innen und nach außen. Warum dreht sich aber nur innen ein Rotor? Ist das nicht verschenkte Energie? 

Doppelrotor Motor von DeepDrive

Mehr Power und Hohe Drehmomentdichte, niedriger Verbrauch:

Für das Doppelrotor-Konzept erhielt DeepDrive 2024 den Deutschen Innovationspreis

Sie konstruierten also einen Motor, in dem sich auch außen ein Rotor dreht. Das nennt sich Doppelrotor. Sie bauten sozusagen zwei Motoren in einem, denn der Stator treibt zwei Rotoren an. Das Magnetfeld wird so viel besser ausgenutzt. Oder, wie es Felix Pörnbacher erklärt: „Wir haben viel mehr Power und können auch kleinere Motoren bauen, die mit der maximalen Leistung arbeiten, weniger verbrauchen und kostengünstig produziert werden können.“

Um diesen Doppelrotor zu ermöglichen, was sich grundsätzlich simpel anhört, war aber begleitend jede Menge an komplexen Innovationen notwendig. Diese wurden von DeepDrive entwickelt und auch patentiert. Viele Autohersteller kauften Prototypen,
testeten sie an ihren Prüfständen und bauten sie in Testfahrzeuge ein. Und die Motoren funktionierten. Zwar dauert es noch ein bisschen bis zur Serienreife. Aber DeepDrive ist weltweit die einzige Firma, die aktuell Doppelrotoren herstellen kann. Und das auf höchstem Niveau.

So weit, so gut. „Dann haben wir realisiert“, berichtet Felix Pörnbacher, „dass sich die Technologie der Doppelrotor-Radialflussmaschine auch ideal dafür eignet, den Motor direkt am Rad anzubringen.“ Man muss wissen: Der sogenannte Radnabenmotor ist keine neue Erfindung. Das System wurde von Ferdinand Porsche entwickelt und bereits vor 125 Jahren im legendären Lohner-Porsche verbaut. Der Radnabenmotor setzt, wie der Name sagt, direkt am Rad an. Somit entfallen Getriebe, Wellen und Kupplungen, in denen Energie verloren geht. Das Drehmoment ist enorm. Und die Rekuperationsleistung, also die Rückgewinnung von Energie beim Bremsvorgang, ist wesentlich höher als bei klassischen E-Motoren. Insgesamt steigt der Wirkungsgrad um bis zu 20 Prozent – und damit entsprechend die Reichweite. Auch diese Technik entwickelt DeepDrive weiter. Und sie ist inzwischen ein Teil des Geschäftsmodells.

Der Radnabenmotor ermöglicht durch mehr Raum im Fahrzeug die Integration neuer Batterietechnologien. Auch dem Design stehen dadurch völlig neue Möglichkeiten offen. Und die Produktion dieses neuen Antriebssystems ist deutlich kostengünstiger als bisherige Lösungen. Es werden zudem weniger Materialien wie Eisen oder Magnetmaterial benötigt. Der Einsatz von Kupfer und seltenen Erden ist ebenfalls weitaus geringer. Die Positivbilanz dieser Technologie ist beeindruckend.

Doppelrotor Motor von DeepDrive

Insgesamt unterstützte Bayern Kapital, eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der LfA Förderbank Bayern, Deep­Drive in drei Finanzierungsrunden mit 8,5 Millionen Euro.

Für die sieben DeepDrive-Jungs war die Gründung der eigenen Company auch finanziell ein echtes Wagnis. „Erst nach neun Monaten konnten wir erste Gelder einsammeln“, berichtet Felix Pörnbacher. „Bis dahin mussten wir alle unser Erspartes in die Firma stecken und konnten uns selbst kein Gehalt zahlen. Aber wir kannten unser Potenzial. Und wussten, wie Investoren denken und was sie sehen wollen. Und das zeigten wir ihnen.“

Die erste Finanzierung von 4,3 Millionen Euro erhielt das Unternehmen 2022 von UVC und dem von Bayern Kapital verwalteten Wachstumsfonds Bayern. Insgesamt unterstützte Bayern Kapital, eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der LfA Förderbank Bayern, Deep­Drive in drei Finanzierungsrunden mit 8,5 Millionen Euro. Auch dieser Anschubfinanzierung ist es zu verdanken, dass heute bei dem Unternehmen bereits knapp 100 Leute arbeiten. Mit dem neuen Kapital ist DeepDrive auch in der Lage, am Standort im Norden von München modernste Produktionslinien aufzubauen und seine patentierte Doppelrotor-Motorentechnologie zu industrialisieren, um die breite Markteinführung von Elektrofahrzeugen zu beschleunigen.

Es taucht aber die Frage auf: Wieso hat nicht einer der Big Player den Doppelrotor-Motor erfunden? In den Automobilkonzernen sitzen schließlich Dutzende von fähigen Entwicklern. Die Elektromobilität ist jedoch multi­disziplinär und komplex. Sie braucht Software, Elektronik, Regelungstechnik und Mechanik. Ganz verschiedene Domänen müssen eng zusammenspielen. Und das ist etwas, womit sich Großkonzerne eher schwertun. „Es gibt dort für jeden Bereich verschiedene Teams, die in Kommunikation treten müssen“, erklärt Felix Pörnbacher. „Bei uns sitzen aber alle zusammen in einem Raum und essen zusammen zu Mittag. Und das fast jeden Tag. Diese intensive Nähe sorgt dafür, dass wir ein ganz anderes Level an Innovation heben können. Die Großkonzerne haben viel Geld und viele Leute. Aber Innovationen werden in ein paar wenigen Köpfen geboren.“ Dazu kommt der Standort München, das Automobilherz Europas. „Es ist der beste Ort in Europa, an dem wir sein können“, sagt Felix Pörnbacher.

Der Raum München ist einer der wichtigsten Start-up- und Industrie-Hubs. Hier trifft etablierte Wirtschaft auf New Tech. Und das Umfeld mit der TU München ist extrem virulent. Es gibt viele Start-ups, es ist auch viel Kapital unterwegs. Und sogar OpenAI hat vor Kurzem das erste europäische Office in München eröffnet. Die hohe Lebensqualität hilft, auch internationale Talente zu gewinnen. „München wird gerade zur Weltstadt, ohne aber seine Identität zu verlieren“, schwärmt Felix Pörnbacher. „Das Motto, Laptop und Lederhose‘ gilt heute mehr denn je.“ Dazu passt, dass bei DeepDrive alle zwei Wochen ein Weißwurstfrühstück stattfindet. Was beweist: Man kann lokal verwurzelt sein, aber gleichzeitig auch die europäische Automobilwirtschaft wieder voranbringen!

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