Kunstkalender 2023 – Kalenderblatt September
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Kim Ofenstein überlegte sich dazu, das Material zu reduzieren und zugleich einen filigranen und dadurch transparenten Ansatz zu verfolgen. Transparenz bedeutet dabei nicht nur eine optische Durchlässigkeit, sondern meint auch die Offenlegung der Konstruktion. Jede Materialverbindung ist nachvollziehbar, ob es sich um das schwarze Rundstahlgerüst oder die darum gewickelten und dazwischen gespannten neonorangen Schnüre aus Polypropylen handelt. Auffällig sind zudem die kleinen blauen Hülsen, mit denen die Schnurenden abgeschlossen sind, um ein Auffasern zu verhindern. Orangerot, Schwarz und Blau werden also jeweils für unterschiedliches Material und unterschiedliche Funktionen verwendet.
Die Schnüre sind so aufgespannt, dass sie nur zwei Flächen bilden: Sitz und Lehne. Für die Sitzfläche werden sie übereinander an den hinteren senkrechten Rohren befestigt und straff über die vordere waagerechte Kante gespannt, um die sie auf der ganzen Länge herumgewickelt werden. Nach dem gleichen Prinzip werden die Schnüre der Lehne aufgezogen und spannen sich diagonal in einer Torsion, einer Verdrehung um 90 Grad, zwischen den beiden Kufen am Boden und dem oberen Abschluss der Lehne. Durch die Torsion entsteht zugleich eine Zeichnung aus roten Linien im Raum, die sich in immer neuen Variationen überschneiden, je nach Blickpunkt. Für unsere Abbildung wurde der Stuhl vor einem dunklen Hintergrund fotografiert. So tritt das Stahlgestell optisch zurück und die orangeroten Schnüre erinnern an ein konstruktivistisches Bild. Ihre starke Wirkung entfaltet sich in der Bildfläche als ungegenständliche Komposition. Der Titel „Abstrakt“ nimmt dieses filigrane und transparente Image auf. Aus dem Objekt wird ein Bild – und umgekehrt: Das Möbel ist zugleich eine abstrakte Skulptur mit minimalistischer Formensprache.
Text: Jochen Meister
Die Künstlerin
